Die Welt ist nicht meine Vorstellung

Arthur Schopenhauer beginnt sein Werk: „Die Welt als Wille und Vorstellung“ mit dem scheinbaren Fundamentalsatz, sozusagen als „Wahrheit, a priori“:

»Die Welt ist meine Vorstellung:« – dies ist die Wahrheit…

Schopenhauer verdichtet in den ersten fünf Wörtern seines Satzes in genialer Weise die Behauptung mancher Erkenntnis-Philosophen, die dicke Bände zu dessen Begründung geschrieben haben (z.B. Kant, Hartmann, Volkelt).

Der zugrundeliegende Gedankengang ist einfach: Durch die Beobachtung, dass unsere Sinne und die damit verbundenen Nervenbahnen sowie das Gehirn unsere Wahrnehmungen modifizieren, glaubte man, von der Realität, die auf unsere Sinne wirkt, nichts mehr wissen zu können und dass stattdessen einzig ein Bewusstsein der durch die Organe bewirkten Umwandlungsprozesse möglich wäre.

Eine der Widerlegungen lautet so: Um irgend ein Ding der Realität als „Vorstellung“ klassifizieren zu können, benötigen wir eine Vergleichsgrösse. Diese darf nicht auch „Vorstellung“ sein, denn wenn alles nur *Vorstellung“ wäre, würde ich sie nicht als solche erkennen können. Ich käme gar nicht auf die Idee, dass es etwas anderes gäbe, als eben das, was ich mit „Vorstellung“ bezeichne. Es muss also, um die Behauptung stützen zu können, etwas geben, was in Differenz zu „Vorstellung“ steht. Ich muss, um eine verlässliche Aussage machen zu können, auf irgend einem festem Boden stehen, um die Welt als meine Vorstellung erkennen zu können.

Nachdem aber die Welt meine Vorstellung ist, wie behauptet wird, gibt es nichts anderes mehr als Vorstellungen. Somit verkommt die Satzaussage, die ja ebenfalls innerhalb der vorgestellten Welt steht, selber zur Vorstellung. Sobald ich dies erkenne, verliert die Aussage ihre Gültigkeit. Ich kann nicht allen Ernstes behaupten, dass die Vorstellung von der vorgestellten Welt eine reale Gültigkeit haben soll.

Hätte Schopenhauer dies erkannt und an den Anfang seines Buches den Satz hingestellt:

»Die vorgestellte Welt ist meine Vorstellung«

hätte er sich die restliche Schreibarbeit ersparen können, da diese Aussage trivial ist. Ohne das Vorhandensein einer Wirklichkeit kann ich keine gültigen Aussagen über die Welt machen. Sobald er die Welt als seine Vorstellung bestimmt, entschwindet sie ihm und entzieht ihm damit den festen Boden für weitere verlässliche Aussagen. Sein Buch wäre einiges dünner geworden!

In Kürzestfassung liesse sich die Kritik an Schopenhauers Philosophie-Fundament etwa so zusammenfassen:

»Die Welt ist meine Vorstellung:« – Welche Welt?

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