Demokratie für Erwachsene

In einem Interview im Blick vom 16.07.2020 spricht Daniel Koch, Mr. Corona der Schweiz, darüber, dass die Massnahme der Schulschliessung aus epidemiologischer Sicht nicht nötig gewesen wäre und lediglich die Intension hatte, der Bevölkerung den Ernst der Lage bewusst zu machen:

„Von Anfang an wurde gesagt, dass Kinder nicht die Haupttreiber der Epidemie sind. Deshalb kann man sagen, dass Schulschliessungen aus epidemiologischer Sicht nicht nötig waren. Trotzdem hat die Massnahme einen grossen Beitrag geleistet, weil sie der Bevölkerung bewusst gemacht hat, wie ernst es ist.“

Ganz ähnlich äussert er sich zur Maskenpflicht im öV:

„Der Bundesrat hätte die Maskenpflicht früher einführen sollen, als der ÖV wieder hochgefahren wurde. Aber – ganz ehrlich: Das sind Details, die nicht matchentscheidend sind. Entscheidend war, dass die Bevölkerung begriffen hat, worum es geht.“

Aha, die Massnahmen waren also nicht dazu da, um irgend jemanden direkt zu schützen. Sie hatten den Zweck, mir bewusst zu machen, wie ernst Corona sei, um dadurch mittelbar durch meine Verhaltensänderung die Epidemie einzudämmen. Sehr schlau. Und sehr unwahrhaftig. Drastische Massnahmen, die keinen Sinn haben, sollen mich schrecken und willig machen. Ich fühle mich am Gängelband der bundesrätlichen Führung gehalten! Man darf gespannt sein, welchen pädagogischen Zweck die Contact Tracing Strategie verfolgt und ob sie vielleicht genau so unnötig ist, wie die anderen Massnahmen:

„Und entscheidend wird jetzt sein, dass die Bevölkerung weiter dranbleibt und wir das Contact Tracing so auf die Reihe kriegen, dass wir die Infektionsketten unterbrechen können.“

Ich bin selber gross. Und falls der Bundesrat die Überzeugung hat, die Bevölkerung sei unmündig und müsse erzogen werden, dann wirft dies ein erschreckendes Licht auf das Bildungsniveau im Land.

Ich wünsche mir ein Land, wo freies Denken ein unantastbares Gut der Menschen ist und die Regierung offen, transparent, wissenschaftlich, widersprüchlich, sorgfältig über die Grundlagen informiert, auf die sie ihre Entscheide baut.

Doch sollte der Bundesrat recht damit haben, dass das Volk nur durch Manipulation verantwortliches Handeln lernt, so steht er in der Pflicht, das Schulsystem, welches solche unmündigen Bürger hervorbringt, sich erneuern zu lassen. Eine Demokratie für Erwachsene braucht freie Geister im Volk und in der Politik.

Die Welt ist nicht meine Vorstellung

Arthur Schopenhauer beginnt sein Werk: „Die Welt als Wille und Vorstellung“ mit dem scheinbaren Fundamentalsatz, sozusagen als „Wahrheit, a priori“:

»Die Welt ist meine Vorstellung:« – dies ist die Wahrheit…

Schopenhauer verdichtet in den ersten fünf Wörtern seines Satzes in genialer Weise die Behauptung mancher Erkenntnis-Philosophen, die dicke Bände zu dessen Begründung geschrieben haben (z.B. Kant, Hartmann, Volkelt).

Der zugrundeliegende Gedankengang ist einfach: Durch die Beobachtung, dass unsere Sinne und die damit verbundenen Nervenbahnen sowie das Gehirn unsere Wahrnehmungen modifizieren, glaubte man, von der Realität, die auf unsere Sinne wirkt, nichts mehr wissen zu können und dass stattdessen einzig ein Bewusstsein der durch die Organe bewirkten Umwandlungsprozesse möglich wäre.

Eine der Widerlegungen lautet so: Um irgend ein Ding der Realität als „Vorstellung“ klassifizieren zu können, benötigen wir eine Vergleichsgrösse. Diese darf nicht auch „Vorstellung“ sein, denn wenn alles nur *Vorstellung“ wäre, würde ich sie nicht als solche erkennen können. Ich käme gar nicht auf die Idee, dass es etwas anderes gäbe, als eben das, was ich mit „Vorstellung“ bezeichne. Es muss also, um die Behauptung stützen zu können, etwas geben, was in Differenz zu „Vorstellung“ steht. Ich muss, um eine verlässliche Aussage machen zu können, auf irgend einem festem Boden stehen, um die Welt als meine Vorstellung erkennen zu können.

Nachdem aber die Welt meine Vorstellung ist, wie behauptet wird, gibt es nichts anderes mehr als Vorstellungen. Somit verkommt die Satzaussage, die ja ebenfalls innerhalb der vorgestellten Welt steht, selber zur Vorstellung. Sobald ich dies erkenne, verliert die Aussage ihre Gültigkeit. Ich kann nicht allen Ernstes behaupten, dass die Vorstellung von der vorgestellten Welt eine reale Gültigkeit haben soll.

Hätte Schopenhauer dies erkannt und an den Anfang seines Buches den Satz hingestellt:

»Die vorgestellte Welt ist meine Vorstellung«

hätte er sich die restliche Schreibarbeit ersparen können, da diese Aussage trivial ist. Ohne das Vorhandensein einer Wirklichkeit kann ich keine gültigen Aussagen über die Welt machen. Sobald er die Welt als seine Vorstellung bestimmt, entschwindet sie ihm und entzieht ihm damit den festen Boden für weitere verlässliche Aussagen. Sein Buch wäre einiges dünner geworden!

In Kürzestfassung liesse sich die Kritik an Schopenhauers Philosophie-Fundament etwa so zusammenfassen:

»Die Welt ist meine Vorstellung:« – Welche Welt?

Ich publiziere, also bin ich!

Mein Kommentar zu diesem Artikel im Tagesanzeiger vom 14.07.2020 wurde nicht veröffentlicht. Vermutlich verstiess er gegen die „Kommentarregeln„. Ich publiziere ihn also selber:

Einmal mehr erschlägt ein Autor im Tagesanzeiger Andersdenkende, wie z.B. den SPR mit der Verschwörungskeule. Dass solche Diffamierung in der Redaktion durchgeht, deutet entweder auf Nachlässigkeit hin oder darauf, dass ein nicht kommuniziertes Interesse daran besteht, andere Meinungen gezielt zu diskreditieren. Damit betreibt der Tagi selber Verschwörung. Auf den Einsatz von solchen Propagandamitteln in den grossen Medienhäusern weist der SPR u.a. hin.

Würde sich die Tageszeitung an ihren Kommentarregeln messen, hätte sie ihren eigenen Artikel nicht publizieren dürfen. Da steht z.B.:

Der Ton macht die Musik: Pflegen Sie einen respektvollen und freundlichen Umgangston.

… und führen Sie Argumente ins Feld.

Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten…

… Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken…

Genügend Regeln, um manchen Artikel im Tagi nicht erscheinen zu lassen!